Hoffnung und Perspektiven im Angebot

Ein Flohmarkt als Fest: Anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens hat die MÖWE zum Kaufen und Verkaufen eingeladen. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und im Hintergrund spielt Musik. So tauche ich an diesem Tag im August in eine besondere Atmosphäre ein. Doch was ist das genau – die MÖWE?

Ein Blick in die Geschichte: Alles begann 1983 mit einer Möbelwerkstatt im Laurentiushaus, einer Einrichtung damals noch für wohnungslose Männer. Für die Ausstattung von Wohnungen wurden gebrauchte Möbel und Hausrat gesammelt und aufbereitet. Eine Garage diente als Lager. Es folgten weitere Anmietungen und Umzüge in den 1980-er Jahren – immer dann, wenn es wieder zu eng geworden war. Alles wurde größer, nur bei der Bezeichnung war es umgekehrt: Die Möbelwerkstatt wurde mit MÖWE abgekürzt.

Nachdem die Bundeswehr die General-Martini-Kaserne aufgegeben hatte, konnte 1997 eines der ehemaligen Kasernengebäude am Hauswörmannsweg 88 erworben werden. So fand die MÖWE ihren jetzigen Standort und wurde zum Sozialen Kaufhaus mit Werkstätten und einem Bereich zur Verwertung von Altmaterial. Die MÖWE verbindet hier drei Ausrichtungen miteinander: Soziales, Ökologie und Ökonomie. Sie ist eine gemeinnützige GmbH. Träger ist der katholische Verein für soziale Dienste SKM Osnabrück.

Wer gebrauchten, gut erhaltenen Sachen ein zweites Leben schenken will, kann an sechs Tagen in der Woche mit dem Auto an die Laderampe heranfahren und wird dort von Mitarbeiter:innen empfangen. Im selben Gebäude befindet sich das Soziale Kaufhaus, das diese Dinge – von Kleidung über Geschirr bis hin zu Möbeln – dann zu einem kleinen Preis anbietet. Einen weiteren Standort findet man an der Johannisstraße 88 – Jonathans Laden. Dort ist auch eine Fahrradwerkstatt untergebracht.

Die MÖWE ermöglicht wohnungslosen und langzeitarbeitslosen Frauen und Männern eine Beschäftigung. Einer von ihnen ist Ralf Henjes. Unter anderem ist er für die Überprüfung der eingehenden Möbelspenden zuständig. Mit Unterbrechungen ist er seit 2011 dabei und berichtet begeistert: „Die Arbeit ist total abwechslungsreich. Man weiß nie, was kommt. Und es macht Spaß, mit Menschen zusammenzuarbeiten, anderen zu helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen.“ Und sein Lächeln wird noch breiter, als er sagt: „Das ist wie eine große Familie!“

Mitten zwischen den Flohmarkständen steht Thomas Schulke und nimmt die vielen Glückwünsche entgegen. Als Prokurist und Betriebsleiter der MÖWE ist er für die wirtschaftlichen Belange verantwortlich, doch immer steht für ihn der Mensch im Mittelpunkt: „Wir geben den Menschen etwas, was sie viele Jahre nicht gehabt haben – Teilhabe und Zusammenhalt. Sie bekommen wieder Hoffnung und sehen Perspektiven für sich.“ Derzeit arbeiten etwa 120 Menschen hier, darunter auch einige, die Sozialstunden ableisten müssen. Der Anteil von Frauen und Männern ist inzwischen nahezu ausgeglichen, wobei Frauen eher in der Verwertung und Sortierung arbeiten und Männer unter anderem beim Empfang der Spenden.

Was wäre, wenn diese Arbeitsplätze verloren gegangen wären? Genau dies drohte dem Sozialen Kaufhaus vor drei Jahren, als es durch Finanzprobleme und die Folgen des Lockdowns während der Corona-Pandemie Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden musste. Die MÖWE konnte die Schwierigkeiten überwinden – mit der Hilfe und Treue von Geschäftspartner:innen, Kund:innen und weiteren Beteiligten. Nach wie vor steht hier der Mensch im Mittelpunkt – mit all seinen Problemen und Schwächen, aber eben auch Talenten.

Und so kann die MÖWE ihre Arbeit fortsetzen – für die Menschen, die dort arbeiten, für Menschen, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchten, und für Menschen, die nicht mehr benötigte Dinge abgeben wollen. Wie wichtig die Arbeit der MÖWE ist, zeigen bei der Jubiläumsfeier auch die zahlreichen Gäste, die ihre Glückwünsche aussprechen – unter ihnen Oberbürgermeisterin Katharina Pötter.

Die Nachbarschaft trägt ebenfalls zum Gelingen des Festes bei. So tritt eine Band der gegenüberliegenden Andreas-Gemeinde auf. Ein bewegender Moment ist für mich, als die Sängerin Annika Redmann der MÖWE einen langen Fortbestand und Gottes Segen wünscht. Ähnlich drückt sich Thomas Klekamp, Vorstandsmitglied des katholischen Vereins für soziale Dienste SKM Osnabrück aus: „Möge die MÖWE noch lange weiterfliegen!“

Nach den Gesprächen und Erlebnissen bummle ich noch über den Flohmarkt und freue mich, als ich eine passende Sweatshirt-Jacke für mich entdecke. Ein gelungenes Fest!

Text: Martina Kruse
Fotos: Martina Kruse, Helga Duwendag-Strecker

p

Die MÖWE und Jonathans Laden

Die MÖWE befindet sich am Hauswörmannsweg 88. Verkaufszeiten sind montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 15 Uhr. Kontakt unter der Telefonnummer 0541 506880. Spenden werden dort montags von 8 bis 18 Uhr und samstags von 8 bis 18 Uhr entgegengenommen. Jonathans Laden an der Johannisstraße 88 ist montags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Die Telefonnummer lautet 0541 3356661.